Von Losungen und Lizenzen

Seit sechs Monaten gibt es jetzt schon die offizielle Losungen-App der Herrnhuter Brüder-Unität für iOS und Android-Geräte.

Screenshot der offiziellen Losungen-App auf iOS

Kaum war sie erschienen, gab es heftige Kritik von Seiten netzaffiner Losungsfreunde. Die neue App kostete nämlich Geld1 und hatte einen geringeren Funktionsumfang als andere Apps.

Schon wenige Wochen später reagierten die Entwickler auf die Kritik: Eine kostenlose Version wurde versprochen, genau wie eine Version für Windows Phone. Auf beides warten wir bis heute. Immerhin hat der für die Losungen verantwortliche Pfarrer Michael Salewski auf meine Anfrage per Mail mitgeteilt, dass beide Versionen „inzwischen fertiggestellt sind“. Es seien aber noch „einige Hürden zwischen Entwicklern und Verlag zu nehmen“. Einen Termin konnte Salewski nicht nennen.

Die Entwickler der App sind laut App Store die Dresdner Mahrung und Bähr Werbeagentur, der Vertreiber ist allerdings der Schweizer Friedrich Reinhardt Verlag, der auch die gedruckten Losungen vertreibt.2 Noch komplizierter wird die Sache dadurch, dass die Rechte am Luthertext, aus dem die Losungsverse genommen werden, bei der Deutschen Bibelgesellschaft liegen. Diese lizenzrechtlichen Verwicklungen sorgen vermutlich auch für die Verzögerungen bei der Freigabe einer kostenlosen Version.

Keine anderen Losungs-Apps erlaubt

Das ganze wäre nicht weiter dramatisch gewesen, hätten die Herrnhuter nicht im Januar die Losungsdaten-Lizenzen für Drittanbieter zurückgezogen. Damit ist die offizielle App jetzt die einzige, die für Android und iOS verfügbar ist. Andere Plattformen bleiben völlig außen vor – für Windows Phone oder Blackberry gibt es jetzt überhaupt keine Losungs-Apps (mehr).

Selbst, wenn die neuen Versionen demnächst verfügbar sein sollten, bin ich immer noch nicht ganz glücklich. Mich macht vor allem traurig, dass der vertreibende Verlag weiterhin keine Lizenzen mehr für andere App-Entwickler mehr herausgeben will.

Für so manchen App-Programmierer im kirchlichen Kontext war eine eigene Losungs-App das erste Projekt – und gleichzeitig kostenlose Werbung für Herrnhut. Dazu kommt noch, dass die Losungs-Fans für jede denkbare Plattform Apps entwickelten und nicht nur für die „großen Drei.“ Die Losungen waren überall. Das ist jetzt nicht mehr so.

„Langfristig wird dieser Schritt den Herrnhutern schaden“

Mit dem restriktiven Umgang mit den Lizenzen lassen sich sicherlich kurzfristig höhere Einnahmen aus der offiziellen App herausholen. Aber langfristig wird dieser Schritt den Herrnhutern schaden. Denn die wenigsten Smartphone-Benutzer sind bereit, Geld für digitale Inhalte auszugeben. Da in den App Stores aber keine kostenlosen Losungen mehr Angeboten werden, werden viele auf andere Bibelvers-Auswahlen ausweichen, zum Beispiel den Vers des Tages oder Das Wort. Dazu kommt noch, dass viele Entwickler, die zuvor eine eigene Losungs-App angeboten hatten auf solche Anbieter umgestiegen sind, wie zum Beispiel Johnathan Arnolds toll designte App „Amen.“ oder Joachim Reiß’ „Das Wort“.

Screenshot der iOS-App "Amen." von Jonathan Arnold

Die Benutzer solcher Apps werden nicht mehr die original Losungen lesen und werden es vermutlich nicht einmal bemerken. Denn am Ende sind die Losungen nichts anderes als eine Auswahl an (teilweise zufälligen) Bibelversen. Für die tägliche Andacht vieler Bibelfreunde wird es keinen großen Unterschied machen, wer genau die Auswahl der Verse getroffen hat.

  1. Pro Jahr kostet der In-App-Kauf für die Losungsdaten 4,49 €. Bitter daran ist, dass die kartonierte Papierausgabe gleichen Inhalts nur 3,90 € kostet

  2. Mit Internet und Technik scheint dieser Verlag nicht übermäßig versiert zu sein: Auf dessen Homepage führt ein Klick auf „Impressum“ zu einer passwortgeschützten Seite – ein Lapsus, der ziemlich teuer werden kann