Verpasste Chancen – Ein Kommentar zur Wahl des sächsischen Bischofs
Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens hat bald einen neuen Bischof. Am 31. Mai wählte die sächsische Synode Carsten Rentzing zum Nachfolger des im August in den Ruhestand wechselnden Jochen Bohl.
Eigentlich könnte ich mich über das Ergebnis der Bischofswahlen meiner Landeskirche freuen. Sachsen bekommt einen Bischof, der mit 47 Jahren verhältnismäßig jung ist, den Medien gegenüber Eloquent auftreten kann, der theologisch profiliert ist und außerdem direkt aus der Gemeindepraxis in das Bischofsamt wechselt.
Nur will sich die Freude bei mir und vielen anderen Sachsen nicht so recht einstellen.
Seit dem Kirchenleitungsbeschluss von 2012, der es Homosexuellen Pfarrer_innen unter bestimmten Voraussetzungen erstmals erlaubte, mit dem/der Partner_in im Pfarrhaus zu wohnen, ist die Landeskirche faktisch in in zwei „Lager“ zerstritten – ein liberales „Pro“- und ein konservatives „Kontra“-Lager.
In Sachsen sollte die letzten Jahre ein „Gesprächsprozess“ geführt werden, der diese landeskirchlichen Lager wieder zusammenbringen sollte. Dieser Prozess ist, so kann man denke ich sagen, gescheitert. Die Frage bleibt ungeklärt, ein Kompromiss ist für beide Seiten ausgeschlossen. Im Gegenteil sind durch ihn die Fronten noch verhärtet, die eigene Überzeugung an den Argumenten des anderen geschärft.
Zur Wahl des neuen Landesbischofs standen sich in den letzten Wahlgängen diese beiden Lager in Form des als liberal bekannten Landesjugendpfarrers Tobias Bilz und des entschieden konservativen Carsten Rentzing. Rentzing war einer der Wortführer der sogenannten „Sächsischen Bekenntnisinitiative,“ die die 2012 durchgesetzte Öffnung der Pfarrhäuser für homosexuelle Paare massiv verurteilte und damit zur Polarisierung der Landeskirche beitrug. Für Rentzing entspricht Homosexualität erklärtermaßen nicht dem „Schöpfungswillen Gottes.“
Es war von niemandem in der Synode erwünscht oder beabsichtigt, aber die Wahl stand symbolisch als Richtungsweisung für die Zukunft der Landeskirche. Es wurde im Vorfeld zwar oft die „Einheit der Kirche“ beschworen, trotzdem wurde jede_r Kandidat_in immer wieder in Interviews und Podiumsdiskussionen gefragt, wie sie zur Frage „Homosexualität (im Pfarrhaus)“ stehen. Da ging es nicht mehr um einen Gesprächsprozess, sondern darum, die Kandidat_innen einem Lager zuzuordnen.
Für mich ist die Lage klar: Für die sächsische Landeskirche bleibt in den nächsten Jahren nur noch der Weg nach vorn. Im Kontext der anderen deutschen Landeskirchen wird es für Sachsen zunehmend schwierig werden, sich der eindeutigen gesellschaftlichen (und theologischen) Entwicklung einer Rehabilitation schwuler und lesbischer Menschen zu entziehen. Wichtig wäre jetzt ein Bischof, der seine Landeskirche in diesem Prozess konstruktiv in Richtung einer Liberalisierung begleitet.
Deshalb hatten ich und viele andere einen anderen Wahlausgang erhofft. Die Wahl war äußerst knapp. Erst im 6. Wahlgang konnte Rentzing mit 40 von 78 Stimmen eine Mehrheit für sich gewinnen. (Ganz zu schweigen davon, dass die Chance verpasst wurde, zum ersten Mal in der sächsischen Geschichte mit Margrit Klatte eine Frau in das Bischofsamt zu berufen.)
Optimistisch betrachtet hat Rentzing nun die Chance, sein klares Profil dafür zu nutzen, Anschluss gerade bei konservativeren Teilen der Landeskirche zu finden und sie behutsam und kritisch in die Zukunft zu begleiten. Rentzing hatte nach der Wahl betont, Bischof der gesamten Landeskirche sein zu wollen. Zugleich versprach er aber auch im Vorfeld der Wahl, „Dinge, die wir von den Vorfahren ererbt haben, nicht so ohne weiteres über Bord werfen“ zu wollen. Ob dazu auch das traurige Erbe der Stigmatisierung von Homosexualität gehören soll, wird sich zeigen.