Von Gottes Allmacht oder Warum Alleskönnen nicht alles ist
Kann ein allmächtiger Gott einen Stein erschaffen, der so schwer ist, dass er ihn selbst nicht heben kann?
Wie oft hab ich diesen Spruch schon gehört. Manchmal im Scherz, manches Mal als atheistische Apologie, plumpe Polemik gegen die Vorstellung eines allmächtigen Gottes. Wenn es einen allmächtigen Gott gäbe, wie wollte er dann dieses Rätsel lösen?
Das Rätsel ist ein sogenanntes Paradoxon. Paradoxien sind nicht auflösbar. Die Nichtauflösbarkeit macht geradezu die Definition eines Paradoxons aus. Deshalb ist die Frage eigentlich die: Kann Gottes Allmacht Paradoxien auflösen? Nun, wenn er es könnte: wären es dann noch Paradoxien?
Vom echt und scheinbar Paradoxen
In unserer Realität gibt es keine echten Paradoxien. Die gibt es nur in der Rhetorik („Weniger ist mehr“), in scheinbaren Paradoxien (dass man bei einem Eierkocher für weniger Eier mehr Wasser benötigt) oder bei Gedankenexperimenten.
Wenn bei einem Gedankenexperiment ein echtes Paradoxon auftritt, ist das ein Indiz für die Undurchführbarkeit eines Experiments (zum Beispiel bei Zeitreisen in die Vergangenheit).
Kann es also keinen allmächtigen Gott geben? Das Rätsel zeigt, dass es nach der Logik keine Allmacht geben kann, denn diese müsste auch die Gesetze der Logik durchbrechen können. Es könnte eine Allmacht über der Logik geben, die nicht an ihre Regeln gebunden ist – aber über so etwas können wir Mithilfe der Logik nichts mehr aussagen …
Ist Gott nun allmächtig?
Gott – allmächtig oder praktisch-allmächtig?
Auf den ersten Blick scheint die die Bibel das zu behaupten, Gott wäre allmächtig. So sagt Gott in 1. Mose 17,1 von sich selbst:
Ich bin Gott, der Allmächtige.
Ein Blick in den Urtext zeigt da das Wort שַׁדַּי (schaddaj). שַׁדַּי wird im AT ausschließlich als Ehrentitel für Gott gebraucht. Die Übersetzung dieses Titels ist ungeklärt. Die Septuaginta lässt שַׁדַּי in der Regel weg oder übersetzt es mit θεὸς. Die tatsächliche Bedeutung von שַׁדַּי ist also schon früh hinter dem Titel verloren gegangen. An manchen Stellen übersetzt die LXX zwar שַׁדַּי auch mit παντοκράτωρ (Allmächtiger), aber das tut sie auch mit dem Gottestitel צְבָאוֹת (zebaot), für den das sicher keine treffende Übersetzung darstellt.1
Im NT wird öfters das Wort παντοκράτωρ gebraucht, so zum Beispiel in Offb 1,8 und in 2. Kor. 6,18. Es wird aber immer als Titel Gottes verwendet. Nie wird erklärt, was es mit dieser Pantokratie wirklich auf sich hat.
Die Schöpfung: Gott schränkt seine Allmacht ein
Im Englischen gibt es eine schöne Redensart: „for all intents and purposes“. Das könnte man übersetzen als „In der Regel“, genauer „für alle intendierten (wollbaren) Zwecke“. So würde ich auch die Allmacht Gottes charakterisieren: Gott ist allmächtig in allen Belangen, die uns praktisch betreffen.
Denn wenn Gott alle Begebenheiten und Gesetze unseres Universums erschaffen hat, dann sind sie ihm auch praktisch Untertan. Er ist der Herr über alle Wesen und Dinge, die um uns sind.
Doch Gottes Meisterstreich war, als er seine eigene Allmacht aufgab: Er schuf Menschen zu seinem Bilde. In Gen 1,26 ist zu lesen:
Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.
Bis gerade eben war Gott noch Mächtig über alles (allmächtig?). Jetzt gibt er einen Teil seiner Macht auf: Diese Geschöpfe, diese Menschen, sollen außerhalb von Gottes Machtbereich frei agieren können, sollen selbst herrschen können. Gott gibt etwas von seiner Allmacht ab – tauscht es gegen Beziehung.
Wahre Größe
Was ist Allmacht? Ist es die Fähigkeit, kleine philosophische Gedankenspiele zu überlisten? Oder ist es nicht wahre Größe, auf die eigene Macht zu verzichten, um etwas ganz Neues zu ermöglichen?
Dieser Gott verdient meine Anbetung, der in seiner Allmacht ultimativ herrscht und alle Dinge unter seinen Willen zu zwingen vermag, und doch uns – seine Geschöpfe – frei macht, selbst zu entscheiden.2
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Wilhelm Gesenius’ Hebräisches und Aramäisches Handwörterbuch schlägt als wahrscheinlichste Bedeutung von יְהוָה צְבָאוֹת (jahwe zebaot) „Jahwe der himmlischen Heere“ oder „Jahwe der Kriegsscharen“ vor. ↩
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Und was ist das für ein ungeheures Vorbild: So sollen auch wir mit der uns gegebenen Macht umgehen. Macht ist nicht gegeben, um andere klein zu machen, sondern um andere zu eigener Größe zu befähigen. Denken wir daran, wenn wir uns in einer Position der Macht (und sei es auch nur im Kleinen) befinden. ↩