Jäger und Gejagte – „Menschen auf der Flucht“
Ein „christliches“ Computerspiel?
Kürzlich las ich auf evangelisch.de über den Deutschen Computerspielpreis, den ein Spiel des katholischen Missionswerk Missio Aachen gewann. Das hat hat natürlich mein Interesse geweckt: Ein „christliches Computerspiel“ gab es ja schon, aber eins, dass so gut ist, dass es einen Preis gewinnt?
Der Deutsche Computerspielpreis ist eine Auszeichnung des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, der an Computer- und Videospiele aus Deutschland vergeben wird. Dabei werden als Preisträger meist pädagogisch wertvolle Spiele bevorzugt.
Auf der Website des Preises heißt es:
Besondere Anreize für die Entwicklung hochwertiger kulturell und pädagogisch wertvoller Spiele wollen die Ausrichter des Deutschen Computerspielpreis setzen. Mit ihrem Beitrag zum Deutschen Computerspielpreis fördert die Industrie ein abwechslungsreiches Angebot innovativer, unterhaltsamer und lehrsamer Spiele „Made in Germany“.
Aber auch bekannte Actionspiele wie Crysis 2 der Frankfurter Spieleschmiede Crytek oder das erfolgreiche iOS-Spiel Galaxy on Fire 2 wurden in den letzten Jahren mit dem Preis geehrt.
Das Missio-Game
Nun aber zu „Menschen auf der Flucht“ – so heißt das Spiel, welches von „Serious Game Solutions“ im Auftrag von Missio entwickelt wurde.
„Serious Game Solutions“ ist eine Firma, die für Unternehmen Werbesoftware und Merchandising-Spiele entwickelt. So stammt aus diesem Hause zum Beispiel eine Reihe Spiele zur BR-Serie „Willi wills wissen“, aber auch Bildungssoftware wie „Klausur Pro 2.0“
„Auf der Flucht“ ist jedoch Gewinner der Kategorie „serious games“, also „ernsthafte Spiele“, die sich mit kritisch mit sozialen oder gesellschaftlichen Problematiken auseinandersetzen. Missio begründet das Ziel des Spiels auf seiner Homepage folgendermaßen:
Mit dem Computerspiel „Menschen auf der Flucht“ will missio besonders Jugendliche und junge Erwachsene auf die brutale Situation im Kongo und die Unterstützung für die Flüchtlinge aufmerksam machen, die in Hilfsprojekten Schutz finden. In dem mit interaktiven Elementen ausgestatteten missio-Truck begibt sich der Besucher auf eine multimediale Reise. Mit einem selbst ausgewählten Avatar erlebt der Spieler Stationen einer Flucht aus einem vom Bürgerkrieg zerrütteten afrikanischen Land. Die Inhalte im Computerspiel und im Truck werden ergänzt von einem pädagogischen Begleitprogramm, das sich in den Schulunterricht integrieren lässt.
Missio setzt das Spiel exklusiv in seinem Missio-Truck ein, es ist also leider nirgends zum selbst ausprobieren erhältlich. Allerdings hat der Deutsche Computerspielpreis auf Youtube einen kurzen Ausschnitt veröffentlicht:
Dieser Ausschnitt macht mich noch neugieriger. Man sitzt als kleiner Junge im Fond eines klapprigen Autos und wird durch eine steppenartige Landschaft gefahren, während der Fahrer erzählt, dass man alles verloren hat und ab jetzt auf der Flucht ist. Man muss erfahren dass die eigenen Eltern erschossen wurden.
In der zweiten Szene steht man in einer improvisierten Kapelle und wird etwas hölzern über die bürgerkriegsartigen Zustände im Land informiert.
Das hab’ ich doch irgendwo schon mal gesehen …
Beide Sequenzen erinnern mich ganz enorm an einen Shooter aus dem Jahr 2008, nämlich Far Cry 2 (übrigens auch aus dem Hause Crytek). Überzeugt euch selbst (Gameplay beginnt bei 1:20):
Auch wenn bei keinem der Titel die Sprecher wirklich überzeugen können, diese Anspielung hat mich dann doch erwischt. In Far Cry 2 kommt man in einem Land an, das genauso gut der Kongo sein könnte, um Rebellen und Waffenhändler zu erschießen. In „Menschen auf der Flucht“ kommt man im Kongo an als Opfer, als unbewaffneter Zivilist, ja als Kind, und man hat herzlich wenig Verständnis für all diese Leute, die sich gegenseitig umbringen wollen.
Erinnerung an die Realität
Ich finde es spitze, dass Missio sich mit „Auf der Flucht“ des modernen Mediums Videospiel bedient, um gerade eine jugendliche Zielgruppe darauf hinzuweisen, dass es Krieg wirklich gibt und das ein Sturmgewehr im echten Leben etwas absolut furchteinflößendes ist.
Das „Spiel“ selbst wird wohl nicht viel Spiel und Spannung bieten, dafür aber eine Lektion. Es macht „das Leid von Flüchtlingen emotional nachvollziehbar“, so die Jury des Deutschen Computerspielpreises.
Wenn ich also das nächste mal irgendwo im Dschungel virtuelle Rebellen erschieße, werde ich mich wohl nicht mehr so leicht damit rechtfertigen können, dass ich „nur auf die Bösen“ schieße …