Was die Kirche von der Wirtschaft lernen kann
Zur Stunde befinde ich mich im Urlaub an der Ostsee. Da das Wetter im Moment eher durchwachsen ist, nutze ich die Gelegenheit um etwas zu schreiben.
In der evangelischen Familienferienstätte, zu der unsere Ferienwohnung gehört, findet parallel eine Ehepaarrüstzeit statt, geleitet von einem Ehepaar, das seit Jahren in der evangelischen Familienarbeit aktiv ist. Der Rüstzeitleiter erzählte mir davon, dass er jahrzehntelang für seine Landeskirche Familienrüstzeiten organisiert hat, die zwar regelmäßig großen Zulauf bekamen, jedoch ständig unter dem hängenden Damoklesschwert der Kirchenleitung standen: Solche Projekte würden eigentlich nicht in das Budget der Landeskirche passen. Und überhaupt: Wenn man so eine Arbeit in den festen Haushalt aufnähme, kämen als nächstes die anderen Bezirke und wollen so was auch.
Solche Geschichten höre ich alarmierend häufig, sowohl im überregionalen Kontext als auch innerhalb von Kirchgemeinden. Dabei sollte eine Kirche, die auch in zehn, zwanzig Jahren noch existieren will, sich eigentlich gegenteilig verhalten. Sie sollte sich Gedanken darüber machen, wie sie Projekte, durch die die Kirche wachsen kann nicht nur gestatten, sondern fördern kann. Einer Kirche, die auf ein zusammenbrechendes Parochialsystem gebaut ist, würde etwas Innovationsbereitschaft und Mut zu neuen Projekten eigentlich gut anstehen.
Außerdem können sich auch Investitionen in zunächst abenteuerlich scheinende Projekte ordentlich auszahlen. Das ist ein Geheimtipp, der in der Wirtschaft längst angekommen ist: Der deutsche Industriekonzern Bosch hat letztes Jahr vorgerechnet, dass er in den letzten zehn Jahren 395 Millionen Euro gespart hat – dank sogenannter „Mitarbeiterideen“. Bei Bosch ist jeder Angestellte angehalten, kreative Ideen zur Optimierung des Unternehmens einzureichen. Wenn durch eine dieser Ideen Gewinn gemacht oder Geld gespart werden kann, bekommt der „Erfinder“ eine großzügige Prämie.
Google fährt seit Jahren ein ähnliches Konzept: Die Angestellten des Internetunternehmens bekommen 20 Prozent ihrer Arbeitszeit, also einen Tag in der Woche, geschenkt. Das Personal soll diese Zeit nutzen, um an eigenen Projekten und Ideen herumzubasteln, egal ob aus diesen Ideen etwas wird oder nicht. Einige dieser „20%-Zeit“-Projekte übernahm Google in sein offizielles Programm und sie wurden zu wichtigen wirtschaftlichen Standbeinen des Riesenunternehmens.
Eigentlich wäre es naheliegend, dass Kirche sich diese Erkenntnis – dass Innovation Raum zur Entfaltung braucht – zu eigen macht.
Hier und da wird so etwas auch vorgeschlagen. Im Vorfeld der Wahl des sächsischen Bischofs wurden die Kandidaten während einer Podiumsdiskussion gefragt, was denn ihre erste Amtshandlung als Bischof wäre. „Ich würde die Hauptberuflichen bitten, dass sie einmal ihre Kalender zur Hand nehmen und 20 Prozent ihrer Termine streichen,“ meinte daraufhin Tobias Bilz. Viele Hauptamtliche hätten einfach zu viel zu tun, um auch noch Innovativ zu sein.
Schlussendlich wurde Tobias Bilz knapp nicht zum Bischof gewählt, aber die Idee bleibt eine Gute:
Liebe Kirchen, investiert in die Zukunft! Verheizt eure engagiertesten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht, sondern haltet ihnen den Rücken frei und ermutigt auch andere dazu, neue Wege zu gehen. Fördert gezielt Programme, die Kirche jenseits der Parochie möglich machen wollen. Und schafft um Gottes Willen eine Atmosphäre des Aufbruchs in den oft muffig riechenden Kirchenämtern!