idea ist keine Nachrichtenagentur
Einem Forscherteam in Harvard ist es gelungen, kosmische Gravitationswellen nachzuweisen, die Theorien zur Entstehung des Universums belegen sollen. Diese Meldung ging in den vergangenen Tagen durch die Medien.
Ich bin kein Astrophysiker, aber vom enormen Medienecho dieser Nachricht zu schließen ist die Entdeckung dieses „Nachglühens“ ein wichtiger Durchbruch für die Urknall-Erforschung, vergleichbar mit der Entdeckung des Higgs-Boson vor zwei Jahren.
Die evangelikale Nachrichtenagentur idea hat nicht lange gebraucht, um selbst einen Artikel zu veröffentlichen, der sich zu diesen Forschungsergebnissen äußert.
Unter der Überschrift „Schöpfung oder Urknall: Zwei konträre Weltanschauungen stehen sich gegenüber“ zitiert idea „Evangelikale Wissenschaftler aus Deutschland“, die den Medienrummel um diese Gravitationswellen nutzen, um die „Urknalltheorie“ als reine „wissenschaftliche Spekulation“ abzutun.
Dieser ungeheure Artikel soll mir als Illustration für die zwei Probleme dienen, die idea in meinen Augen hat.
idea ist ideologisch
Zum Ersten trägt dieser Artikel überhaupt nichts Konstruktives zur Sachlage bei. Er informiert über die Ergebnisse des Forschungsprojekts, aber nicht ohne zusammenhangslose, pauschale Seitenhiebe gegen „Anhänger der Evolutionstheorie“ auszuteilen. Der Artikel reduziert die Frage nach den Forschungsergebnissen aus Harvard auf die alte „Schöpfung oder Urknall“-Diskussion.
Das ist nicht das erste Mal, dass idea eine Nachrichtenmeldung missbraucht, um eine vorgefertigte Meinung zu forcieren. Das letzte Mal ist mir das beim Outing von Hitzlsperger aufgefallen, als idea unter dem Titel: „Ist Hitzlsperger ein Held?“ gleich mal erklärte, „was […] die Bibel zu Homosexualität [sagt].“ Geradezu komische Züge hat es, wenn dann im selben Artikel die öffentliche Debatte über Sexualität als „viel zu einseitig“ bezeichnet wird.1
idea verabsolutiert Meinungen
Zweitens versucht idea durch die Art und Weise, wie Meldungen präsentiert werden, die „eigene“ Meinung als alternativlos darzustellen. Die Behauptung, dass Schöpfung und Urknall „Zwei konträre Weltanschauungen“ seien, wird einfach so in den Raum gestellt und ein paar Leute2 zitiert, die auch dieser Meinung sind.
Dabei ist es scheinbar völlig nebensächlich, wie gut oder relevant deren Argumente sind. Werner Gitt wird mit dem Satz zitiert: „Da [im Universum] ist immer irgendwo eine Strahlung messbar.“ Wow. Reinhard Junker nutzt die Gelegenheit und erklärt uns, warum es laut Bibel keinen Urknall gegeben haben darf:
Besonders wichtig ist Junker ein anderer Aspekt: „Den Urknall als anfängliche Schöpfung zu sehen, die sich fortan von alleine bis zum Menschen entwickelt, passt nicht zur Vielfalt der biblischen Aussagen über Gott als Schöpfer.“
Das ist nicht nur furchtbar oberflächlich, sondern zeugt auch von einer äußerst armseligen Theologie, die sich so völlig von jedem Diskurs abkapseln muss, um nur nicht ins Wanken zu geraten.
Die Behauptung, dass Evolutionstheorie oder Urknall auf keinen Fall mit einem (selbst evangelikalen) Bibelverständnis zu vereinbaren wäre, ist schlicht und ergreifend Unsinn. Wer trotzdem darauf beharrt, dass das so sei, scheint mir weder an Wissenschaft noch Theologie wirklich ernsthaft Interesse zu haben.
Die „christliche BILD“
idea erhebt für sich den Anspruch „eine Brücke bauen [zu wollen] zwischen Christen verschiedener Prägungen.“ Ich sehe nicht, wie man mit derartigen „Meldungen“ diesem Anspruch gerecht werden will.
Ich selbst stehe den Evangelikalen im Allgemeinen recht nahe. Allerdings wehre ich mich energisch dagegen, dass man sich von idea die evangelikale Mehrheitsmeinung diktieren lässt. Damit würde nämlich verhindert werden, dass sich die Evangelikale Bewegung weiterentwickeln kann. In den Methoden von idea sehe ich Parallelen zur Bildzeitung, die auf ähnliche Weise versucht, die deutsche Mittelschicht klein zu halten.
idea ist meiner Meinung nach keine Nachrichtenagentur mit evangelikaler Prägung, sondern eine Organisation, die fundamentalistische Meinungen propagiert. Es geht nicht nur um Berichterstattung, sondern um Festigung eines Weltbildes. Und das finde ich schade.3
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idea schreibt natürlich „ihre“ Meinung nie unmittelbar hin, sondern legt sie immer irgendwelchen “Experten“ in den Mund. Da wird solange gesucht, bis man jemanden gefunden hat, der das sagt, was die idea-Leser hören wollen. ↩
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Reinhard Junker ist der Geschäftsführer von „Wort und Wissen“, einem Verein, der sich gern wissenschaftlich gebärt, kritische Wissenschaft aber eigentlich für etwas ganz Schlimmes hält. Werner Gitt ist ein Informatiker, der bekannt dafür ist, mit seinen Büchern Evolutionskritik und Evangelisation zu verbinden. ↩
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Den RSS-Feed von idea.de werde ich aber weiterhin abonniert behalten. Wegen der Filterblase. ↩