Nicht auf „Gefällt mir“ klicken!

Wer in sozialen Netzwerken unterwegs ist, hat überraschend viel Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung – wir sollten uns dieser Verantwortung bewusst sein, bevor wir den neuesten Skandal über unsere Kanäle weiterverbreiten.

Ihr habt bestimmt davon gehört, die Geschichte um diesen Kindergarten in Bad Homburg, der den Martinstag in Sonne-Mond-und-Sterne-Tag umbenennen wollte.

Diese Meldung war natürlich völliger Quatsch. (Was sich natürlich erst herausstellte, nachdem die üblichen Verdächtigen die Geschichte schon breitgetragen hatten.) Weder wollte jemand den Martinstag abschaffen noch umbenennen. Es gibt keine benennbaren Quellen für die Behauptungen, dafür aber zahlreiche Dementi von offiziellen Stellen. Sehr gründlich Dokumentiert hat dies Jascha Huschauer auf nudw.de:

Man wolle „niemanden – sprich Kinder und Eltern anderer Kulturkreise – diskriminieren“[, so berichtete die Taunus-Zeitung]. Einzige Quelle sind Eltern, deren Namen im Artikel grundlos unerwähnt bleiben. Wie unseriös diese Quellenlage ist wird dadurch deutlich, dass im Artikel der Pressesprecher der Stadt die Geschichte dementiert. Aber darüber liest es sich im Zeitalter der Online-Medien locker hinweg.

Im Artikel von Huschauer wird dann noch eine Reihe weiterer solcher Zeitungsenten genannt. Was alle diese Fälle gemeinsam haben: Die Geschichte wird immer so gedreht, als würde es darum gehen, dass Muslime nicht provoziert bzw. beleidigt werden dürften. Und unsere tollen deutschen Leitmedien warten nur auf solche Nachrichten, um die einigermaßen tief verwurzelten Ressentiments in ihrer pseudochristlich-konservativen Leserschaft auszubuddeln – der tatsächliche Nachrichtengehalt der Meldung ist dabei sekundär.

Mir scheint es, dass besonders Christen solche Meldungen oft teilen – nicht aus islamophoben Motiven, sondern aus ehrlicher Sorge um unsere christliche Tradition und Werte. (Ob diese Sorge berechtigt ist ist natürlich eine andere Frage.) Aber jedesmal, wenn diese Leute einen Artikel aus der Bild-Zeitung „liken“, gehen sie aus Unwissenheit der Meinungsmache von Leuten auf den Leim, mit denen sie eigentlich nicht in Verbindung gebracht werden wollen. Dies scheint vor allem Themen wie Homosexualität, Gender-Mainstreaming und Islamisierung zu betreffen.1

Es war nie einfacher

Unsere sogenannten sozialen Medien haben dieses Phänomen noch verschärft. Ob eine Meldung überhaupt der Wahrheit entspricht, untersuchen die wenigsten Facebook-Benutzer, bevor sie wie Schafe auf „gefällt mir“ klicken und sich dann zufrieden in ihrer Filterblase zurücklehen. Dabei war die Verantwortung der Leser nie zuvor größer!

Und noch nie hatten die Leser eines Mediums so viel Einfluss wie heute im Internet! Eure Klicks und Empfehlungen auf Facebook und Twitter entscheiden, ob eine Geschichte weitergetragen wird oder nicht.

Mit großem Einfluss kommt aber auch große Verantwortung. Es ist heutzutage relativ einfach, Informationen und Quellen selbst zu prüfen und sich ein eigenes Bild zu machen. Wer mitreden will, muss sich auch gründlich informieren – und zweimal denken, bevor er oder sie eine Meldung teilt oder einen empörten Kommentar abschickt.2

  1. Manche Christen reagieren auf diesen Trend, indem sie sich von „den Konservativen“ im Allgemeinen distanzieren und solche Christen als ein peinliches Randphänomen wegschieben. Ich finde jedoch, dass wir (auch und gerade in den Medien) solche Stimmen immer mal wieder hören müssen. Dann aber bitte nur in Form einer sachlichen Debatte, die auf Tatsachen beruht. Es geht nicht darum, manche Meinungen nicht zuzulassen, aber jede Meinung muss mit Argumenten unterlegt sein, und jede Story von prüfbaren Quellen. 

  2. Ich bin froh, dass es auch die Guten gibt, die Watchblogs, die mit gutem Beispiel vorangehen. An dieser Stelle möchte ich besonders Fabian Maysenhölders TheoPop.de lobend erwähnen, der zum Beispiel bei der Ente um das Kreuzberger Weihnachtsverbot ausgezeichnete Aufklärungsarbeit geleistet hat. Sehr zu empfehlen ist außerdem bildblog.de