„Konservativ sei nicht mit rückständig gleichzusetzen“

Pünktlich kurz vor dessen Amtseinführung hat Idea den kommenden Bischof der sächsischen Landeskirche Carsten Rentzing interviewt. In diesem Interview verteidigt der dediziert konservative Rentzing seine innerhalb der Landeskirche heftig umstrittenen Positionen:

Konservativ sei für ihn nicht mit rückständig gleichzusetzen. Er sei ein Konservativer in dem Sinne, dass er an Dingen festhalten wolle, „die sich bewährt haben und die über die Zeiten gültig bleiben“.

Ziemlich rückständig1 fand ich jedoch, was Rentzing über das Zusammenleben homosexueller Menschen im Pfarrhaus zu sagen hatte:

Er werde sich schützend vor alle homosexuell lebenden Menschen stellen, die sich entscheiden, mit ihrem Partner zusammenzuleben und dies vor Gott verantworten wollen, sagte Rentzing. Theologisch blieben allerdings Fragen: „Ein Zusammenleben solcher Partnerschaften in Pfarrhäusern könnte das Signal setzen, dass das aus Gottes Sicht in Ordnung ist. Meines Erachtens würde die Kirche damit aber die Grenze dessen, was sie zu diesem Thema sagen kann, weit überschreiten.“

Vor 30 Jahren hätte ein Idea-Interview mit so einem aufgeklärt-konservativen Theologen wie Rentzing wahrscheinlich so geklungen:

Er werde sich schützend vor alle Frauen stellen, die sich entscheiden, in den kirchlichen Dienst einzutreten und dies vor Gott verantworten wollen. Theologisch blieben allerdings Fragen: „Ein Dienst solcher Frauen im Pfarramt könnte das Signal setzen, dass das aus Gottes Sicht in Ordnung ist. Meines Erachtens würde die Kirche damit aber die Grenze dessen, was sie zu diesem Thema sagen kann, weit überschreiten.“

Oder vor 200 Jahren vielleicht so:

Er werde sich schützend vor alle Sklaven stellen, die sich entscheiden, aus ihrem Dienstverhältnis zu fliehen und dies vor Gott verantworten wollen. Theologisch blieben allerdings Fragen: „Eine kirchliche Aufnahme entlaufener Sklaven könnte das Signal setzen, dass das aus Gottes Sicht in Ordnung ist. Meines Erachtens würde die Kirche damit aber die Grenze dessen, was sie zu diesem Thema sagen kann, weit überschreiten.“

Die beiden von mir fingierten Zitate (die aber doch so oder ähnlich oft genug ausgesprochen wurden) klingen für heutige Ohren widersprüchlich. Natürlich hat die Kirche etwas zu Sklaverei und Unterdrückung von Frauen zu sagen und sie tut es immer wieder. Das würde heute niemand mehr bestreiten. Trotzdem wurden in der Vergangenheit immer wieder „theologische“ Argumente und Bibelverse angeführt, warum Frauenordination und Widerstand gegen Sklaverei „aus Gottes Sicht nicht in Ordnung“ seien. Im Rückblick ist jedoch klar, dass diese Argumente fadenscheinige Versuche waren, einen durch und durch unchristlichen status quo der Unterdrückung zu bewahren (ob bewusst oder unbewusst). Heute würden wir wie die EKD zum Thema Frauenordination sagen, dass „[d]ie isolierte Betrachtung einzelner biblischer Sätze, aus denen verschiedentlich die Ungleichheit der Geschlechter abgeleitet werden soll, […] sich als nicht haltbar erwiesen“ hat.

Die drei Zitate versuchen allesamt, im Angesicht von Wandel (im Bezug auf die Abschaffung der Sklaverei nach dem amerikanischen Bürgerkrieg, die Frauenordination in den evangelischen Kirchen der 60er Jahre und die Anerkennung von Homosexualität heute) kompromissbereit und differenziert zu klingen, bemerken dabei jedoch nicht, dass sie tief in der Vergangenheit feststecken. Wenn „konservativ“ zu sein bedeutet, darauf zu setzen, dass die Ablehnung von Homosexualität „sich bewährt hat und die über die Zeiten gültig bleibt“, ist das eine sehr riskante Wette.

  1. Bevor es gleich wieder losgeht: Ich sage damit nicht, dass Rentzing ein völlig unfähiger Bischof oder Theologe ist oder das es unwiederbringlich schlimm für die sächsische Landeskirche ist, dass Rentzing die nächsten Jahre Bischof sein wird. Aber ich nehme mir die Freiheit zu kritisieren und zu widersprechen, wo in meinen Augen „theologisch“ begründetes Unrecht geschieht.