Kind im Klodeckel
Wir hatten neulich eine kleine Familienkrise. Unser eineinhalbjähriger Sohn war mit Mama im Bad und spielte mit seinem Klo-Aufsatz, alberte herum und setzte ihn sich als Hut auf. Plötzlich hatte er ihn aber über den Kopf gezogen und trug ihn als Krause um den Hals (was als anatomische Möglichkeit nur schwer vorhersehbar war). Meine Frau stieß einen spitzen Schrei aus und ich machte mich auf den Weg um zu sehen, was da los ist.
Ich finde unseren unglücklich dreinblickenden Sohn auf dem Badfußboden vor, seine Hände an der unfreiwilligen Halsfessel. Wir versuchen, den Aufsatz über des Sohnes Kopf zu heben, aber wie das so ist in solchen Geschichten: Der Kopf war plötzlich zu groß, die Sitzöffnung plötzlich zu klein. Wir Eltern befanden uns in einer seltsamen Schwebe zwischen Besorgnis und Belustigung, während unser Sohn zunehmend in Panik geriet. Wir beschlossen, dass ich ihn auf den Schoß nehme und beruhige, während meine Frau nach einer Lösung sucht. Aber vorher, so waren wir uns einig, müssen wir unbedingt ein Foto machen!
Fünf Minuten später ist der Kleine vor Aufregung todmüde und versucht sich trotz unhandlichem Kloaufsatz an mich heranzukuscheln, während meine Frau vorsichtig mit einer Säge am Rand des Deckels herumfuhrwerkelt. Ich lese inzwischen auf der Unterseite die Warnhinweise: „Dieser Artikel ist kein Kinderspielzeug. Nur unter Aufsicht verwenden!“
Zum Glück lässt sich Plastik ganz gut sägen und nach ein paar Minuten konnten wir unser Kind aus seinem Gefängnis befreien. Nach einem kurzen Trosttrunk bei Mama ist er in meinen Armen eingeschlafen. Ich lege ihn ins Bett und gehe leise zurück ins Bad. Dort finde ich ein kleines rotes Kinderbuch auf dem Boden liegen, offensichtlich vom Sohnemann da hin geschleppt: Astrid Lindgrens Klassiker „Michel in der Suppenschüssel.“