Die Kanzelfrage der Leipziger Uni-Kirche
In Leipzig wird seit einigen Jahren die berühmte Paulinerkirche am Augustusplatz neu aufgebaut, nachdem sie 1968 vom kommunistischen Regime der DDR gesprengt worden war. Jetzt wird verbittert über die Details des Wiederaufbaus gestritten.
Die Vollendung der Arbeiten war eigentlich für 2009 geplant, durch verschiedene Verzögerungen neigen sich die Bauarbeiten erst jetzt ihrem Ende zu. In den letzten Jahren war die Kirche immerhin schon soweit fertig, dass sie genutzt werden konnte, wie beim feierlichen Eröffnungsgottesdienst im Dezember 2009.
Dabei war die Nutzung des Neubaus stets Streitpunkt. Die Universitätsleitung strebte von Anfang an eine Nutzung nicht etwa als Gotteshaus, sondern als universitäre Aula an. Die Landeskirche, unterstützt von der Theologischen Fakultät, bestand gegen dieses Nutzungskonzept auf die Wiederherstellung eines gottesdienstlichen Raumes. In langen Diskussionen wurde schließlich unter Protesten der Kompromiss gefasst, den religiös gestalteten „Andachtsraum“ im Gebäude von der weltlichen „Aula“ durch eine große Glaswand abzutrennen. Pointiert thematisiert die ZEIT diese Auseinandersetzungen:
In Leipzig sprengten die Kommunisten vor 40 Jahren die älteste Universitätskirche Deutschlands. Nun errichtet die Hochschule eine Aula mit Andachtsnische.
Jetzt spielt sich gerade der nächste Streit zwischen Kirche und Universität ab: Zentrum des Disputs ist die Kanzel, die vor der Sprengung aus der alten Paulinerkirche gerettet werden konnte. Über die weitere Verwendung dieser historischen Kanzel beriet kürzlich eine Kommission. Wie die Universität Leipzig berichtet schlug diese Kommission vor, die Kanzel zu restaurieren und im Grassi-Museum ein paar hundert Meter vom Paulinum entfernt auszustellen. Hierauf erklärte der StuRa der Uni Leipzig die „Kanzelfrage [als] geklärt“.
„Da die Kanzelfrage damit geklärt ist, die Universität ihre Entscheidungshoheit zurück erlangt hat und hoffentlich auch wahrnimmt, sollte die nächste Sitzung der Expert_innenkommission eigentlich überflüssig geworden sein,“ konstatiert Kerstin Stengel abschließend.
Während der StuRa seine Lobeshymnen auf die „Entscheidungshoheit“ der Universität sang, veröffentlichte die Landeskirche Sachsen eine eigene Presseerklärung:
Die Landeskirche geht davon aus, dass im Lauf des Frühjahrs eine einvernehmliche Empfehlung zur Aufstellung der Kanzel am „historischen“ Ort gegeben wird.
Da ist nichts zu lesen von einer Aufstellung in einem Museum, die Landeskirche geht fest davon aus, dass die Kanzel in die Kirche gehört. Denn sie sei „kein musealer Gegenstand.“
Ob diese Presseerklärung als eine passiv-aggressive Drohung seitens der Kirche zu verstehen ist oder ob tatsächlich nur ein Missverständnis vorliegt, ist zunächst nicht klar.
Aufklärung bringt eine öffentliche Stellungnahme des Universitätspredigers und Theologieprofessors Peter Zimmerling zur „Kanzelfrage“:
Der Vorschlag, die Kanzel als Zwischenlösung im Zimeliensaal des Musikinstrumentenmuseums aufzustellen, befriedigt […] in keiner Weise.
Es sei laut Zimmerling sogar so, dass die Aufstellung der Kanzel in der Kirche (oder Aula, je nachdem) schon längst in Sack und Tüten war:
Bereits im Jahr 2008 (!) wurde vom damaligen Rektor Prof. Dr. Franz Häuser, dem Bischof der Evang.-Luth. Landeskirche Sachsens, Jochen Bohl, und dem damaligen 1. Universitätsprediger, Prof. Dr. Martin Petzoldt, mit Unterschrift vereinbart, dass die Kanzel umgehend restauriert und eine Aufstellung in dem neuen Aula-Kirchen-Gebäude finden soll.
(Der gesamte Text ist äußerst lesenswert!)
Es fällt mir schwer zu glauben, dass die Universität diese schriftliche (!) Abmachung schlichtweg vergessen hat. Mir scheint es, als wird hier von Seiten des Rektorats nicht nur mit lauteren Mitteln gekämpft.
Ich finde es bedauerlich, dass die Leipziger Universität derart vehement versucht, sich gegen die Profilierung des Paulinums als Kirche zur Wehr zu setzen. Schließlich ist die alte Klosterkirche St. Pauli ein wichtiges Stück Leipziger Stadtgeschichte! Immerhin freut es mich, dass die Theologische Fakultät und die Landeskirche in dieser Sache so klare Worte gefunden haben und bin gespannt, wie die Sache weitergehen wird.