Warum reden Theologen so kompliziert?
Ich hatte vor einiger Zeit auf theologiestudierende.de einen Artikel zu Leichter Sprache geschrieben. Dabei stieß ich auf die Frage: Warum reden wir Theologen so kompliziert?
Neulich las ich in einer Einleitung in die Praktische Theologie von der sogenannten „theonomen Reziprozität“ Was soll das überhaupt heißen, hab ich mich gefragt?1 Wer denkt sich solche Begriffe aus? Was auch immer es bedeutet, kann man das nicht auch einfacher auf den Punkt bringen?
Um wissenschaftlich mit anderen Theologen reden zu können, muss ich mich auf deren theologisches Vokabular einlassen: Die Einteilung von Überlegungen in Gruppen, Systeme und Denkgebäude. Es wird sich mit Verweisen auf Autoritäten wie „Kant“ oder „Schleiermacher“ orientiert und deren Theologie mit kryptischen Platzhaltern umfasst. Wer sich diesen Ausdrucksformen verweigert, wird vielleicht verstanden, aber doch dabei zumindest schief angeguckt.
Das macht diese Sprache freilich exklusiv. Wenn ich jetzt lauter tote Theologen und Fachwörter zitieren würde, die ihr nicht kennt (und glaubt mir, da gibt es jede Menge), würde ich euch aus der Diskussion ausschließen. Davor ist niemand gewappnet – keiner kann alles wissen.
Hässlich wird es dann, wenn man sich gezwungen fühlt, die eigene Ahnungslosigkeit einzugestehen. Wer kann, versucht zu kompensieren: Man nickt bedeutungsvoll und schweigt; Man versucht die Bedeutung von theol. Fachbegriffen anhand einer behelfsmäßigen Übersetzung der lateinischen oder griechischen Fremdwörter zu improvisieren. Ich habe mich bei allen diesen Dingen schon ertappt. (Und mal ehrlich: Wer könnte aus dem stehgreif „theonome Reziprozität“ erklären?)
Auf der anderen Seite leidet natürlich bei jeder Vereinfachung die Präzision. Auf gemeinsames Wissen kann man aufbauen und muss nicht immer wieder über Grundlagen diskutieren.2 Manchmal gibt die deutsche Sprache auch nicht genug Vokabeln her, um kleine Feinheiten auf den Punkt zu bringen. Da kann ein Fremdwort das Gemeinte eindeutiger machen.
Außerdem drückt man sich natürlich kürzer aus, wenn man viele Erklärungen durch Fachwörter ersetzt. Auf der anderen Seite: Ist es wirklich eine Verbesserung, wenn ich „ekklesiologisch“ statt „kirchentheoretisch“ und „soteriologisch“ statt „die Erlösung betreffend“ sage? Ich glaube nicht.
Eine einfachere, intuitivere Sprache würde dafür sorgen, dass sich viel mehr Menschen an Diskussionen beteiligen und neue Ideen einbringen könnten.
An vielen Stellen erscheint mir die ständige theologische Verklausulierung einfach als Wichtigtuerei. Thea Sumalvico hat das in einem etwas anderen Zusammenhang gut auf den Punkt gebracht:
Aber einige [Dozenten] möchte ich regelmäßig daran erinnern, dass sie Lutheraner sind, also vor niemanden dazu verpflichtet, sich zu beweisen. Und dann daran, dass sie sich in ihrer Sterblichkeit von niemanden unterscheiden. Daran, dass es doch gerade als Theologe angezeigt ist, sich in Bescheidenheit zu üben.
Das wäre doch eine gute Grundlage für eine gemeinsame wissenschaftliche Sprache.
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Wie ich jetzt weiß, ist das ist ein Begriff, der von Rudoph Boren geprägt wurde.
Theonome Reziprozität bedeutetIn einer Fußnote kann ich das aber nicht erklären … ↩ -
Aber sind denn die Grundlagen eigentlich geklärt? Reden denn alle, die z.B. von „liberaler Theologie“ reden von genau der gleichen Sache? So können auch schnell Missverständnisse entstehen. ↩