Eindrücke vom 3. Evangelischen Medienkongress – Keine großen Revolutionen, bitte?
Ende September war ich zu Gast beim 3. Evangelischen Medienkongress in Leipzig. Was folgt sind meine höchst subjektiven Eindrücke und Gedanken zu Dingen, die ich auf dem Kongress gehört habe, besonders zur kirchlichen Internetarbeit.
Die Medienmenschen auf dem Kongress, der von Markus Bräuer, dem Medienbeauftragten der EKD, ins Leben gerufen wurde, waren in der Hauptsache im Rundfunk beschäftigt, also in Radio und Fernsehen. Zwar war während des Kongresses das Internet immer wieder ein zentrales Thema, doch wurde es von den meisten eher mit Skepsis betrachtet.
„Die gute Nachricht nicht für ein Linsengericht verkaufen.“
Der Kongress, der am 24. und 25. September stattfand, bestand vor allem aus Vorträgen und anschließenden Podiumsdiskussionen.
Einen sehr pessimistischen Auftakt lieferte der Hannoversche Bischof Ralf Meister, der in seinem Eröffnungsvortrag feststellte, dass „Der Kampf um die Daten […] verloren“ sei. Die Datensammelwut großer Konzerne sei unersättlich und deren Chefs durchweg „Verantwortungs- und Gewissenlos.“ Im Ergebnis forderte er, dass die Kirchen ihren Einsatz von digitalen Medien grundsätzlich begrenzen sollen, wir sollten die „gute Nachricht nicht für ein Linsengericht verkaufen.“ Diese Analogie fand ich dann doch sehr gewagt. Sollten wir als Kirche nicht alle denkbaren Medien für die Kommunikation des Evangeliums nach Kräften einsetzen?
Erfreulich hingegen fand ich seine Forderung, die Kirche solle in der medienethischen Debatte gefälligst mitmischen. Nur vielleicht etwas differenzierter als Meister es getan hat, das würde ich mir wünschen.
In der folgenden Podiumsdiskussion setzte sich dieser Trend der Internetskepsis fort. Es wurde beraten, wie man denn die Medienkompetenz junger Menschen fördern könnte, die ja offensichtlich ihr ganzes Leben arglos im Internet offen legten. Ralf Meister deutete an, dass er das Virtuelle gegenüber dem Realen als inhärent defizitär und für religiöse Kommunikation nur begrenzt tauglich hält. Ein Handy habe in der Kirche nichts zu suchen. Diese These wurde auch leider nicht hinterfragt.
Zwischen Objektivität und Subjektivität
Interessanter war ein zweites Podium am Nachmittag zu dem Gernot Lehr, der Rechtsanwalt von Christian und Bettina Wulff, zum ersten Mal öffentlich über die Hintergründe dieses Falls sprach. Er kritisierte den Trend zur übermäßigen Skandalisierung in den Medien. Spannend war, dass Anne Reidt, Redaktionsleiterin des ZDF Heute-Journals sich im Podium vorsichtig selbstkritisch über die Berichterstattung des ZDF im Fall Wulff äußerte: „Ich glaube, dass wir da in Teilen zu viel gemacht haben.“ Auch die evangelische Kirche war laut Meister „nicht so deutlich und klar, wie sie hätte sein müssen.“ Die Frage liegt im Raum, wie sich so eine mediale Eskalation in Zukunft verhindern lassen könnte. Verantwortlich gemacht wurden wieder „die Digitalen Medien“ mit ihrer rücksichtslosen Skandalisierung, ohne zu differenzieren oder zu hinterfragen, was genau das Kernproblem ist. Hauptsache, wir werden nicht so wie „die“ (Online-Medien, die nur auf Klicks und Facebook-Likes aus sind).
Zugegeben, ich wünsche der Kirche nicht, dass sie sich zu Boulevardniveau und -Methoden herablässt. Aber die Frage nach dem Gleichgewicht zwischen Objektivität und Subjektivität, das Leser anspricht, ohne sie zu manipulieren, sollte in meinen Augen noch einmal neu gestellt werden. Gibt es so ein Gleichgewicht? Fallen wir mit unserer kirchlichen Kommunikation vielleicht auf Seiten der Objektivität vom Pferd? Haben wir zwar eine objektiv gut durchdachte Botschaft, aber niemanden mehr der sie hören will?
Abschluss des Tages und für mich gleichzeitiger Höhepunkt war eine Lesung des Leipziger Autors Jakob Hein. Seine Texte waren wunderbar Humorvoll und gingen zu Herzen. Hein beherrscht die geheimnisvolle Kunst, aus eigentlich todtraurigen Schicksalen und Situationen eine humor- und zugleich gefühlvolle Geschichte zu zaubern.
„Fernsehsender, habt ihr eigentlich keine Angst?“
Der nächste Tag bot eine höchst skurrile Begegnung zwischen evangelisch-kirchlichen Medienmachern und dem Internet. Stephan Born, der Beauftragte für das „Wort zum Sonntag“ im ARD zeigte an der Leinwand eine Reihe von Videos jugendlicher YouTuber mit Namen wie „Joyce“ und „LeFloyd“. Born bekennt, dass diese „simpel produzierten,“ „vereinfachenden“ und „emotionalisierenden“ Videoclips deutlich höhere Quoten haben als sein teuer produziertes „Wort zum Sonntag.“ Von ihnen lernen will er aber auf keinen Fall. Denn YouTuber gebrauchen schließlich, so Born, „das dramaturgische Modell des Boulevard.“
„Fernsehsender, habt ihr eigentlich keine Angst?“, fragt die junge „Joyce“ in einem Video die Kongressteilnehmer über die große Leinwand. Die ganzen reifen Medienmacher im Saal lachen überheblich, nervös. Diese Leute, die sich die moderne YouTube-Szene lustig machen, sahen sich offenbar gern als Hüter der Differenziertheit. Eine differenzierte Betrachtung bot der Vortrag von Stephan Born auf jeden Fall nicht. YouTuber findet er primitiv, sein eigenes „Wort zum Sonntag“ hingegen scheinbar total anspruchsvoll. Auch wenn ich zugebe, dass ich von keiner der präsentierten YouTube-Persönlichkeiten je gehört hatte, gehört das „Wort zum Sonntag“ noch viel weniger zur Lebenswirklichkeit meiner Generation, ganz zu schweigen von dessen spiritueller Relevanz.
Da wäre ich sofort dabei!
In der darauffolgenden Podiumsdiskussion wurde es nicht besser: Obwohl Moderator Tobias Glawion genau die wunderbar frechen Fragen stellte, die auch mir auf der Zunge brannten, bliebt Born bei seiner Meinung. Er wehrt sich gegen die „radikale Subjektivität“ solcher Internetvideos für die kirchliche Verkündigung. Aber wie kann Verkündigung denn überhaupt anders funktionieren als Subjektiv, möchte ich fragen! Wen wundert’s, dass das „Wort zum Sonntag“ kein Schwein mehr interessiert, wenn es nicht vom Leben reden und in diesen Kontext natürlich subjektiv sein will?
Zum Schluss hat Stefan Born aber auch noch etwas ganz wunderbares gesagt, dass ich gern bekräftigen möchte: Born wünschte sich die Schaffung einer kleinen Gruppe innerhalb der Kirche, die „Dinge probieren darf, die peinlich und schlecht werden darf und nicht immer gleich von drei Institutionen durchgeprüft und abgewürgt wird.“ Ein Think-Tank also, der probieren darf, kirchliche Medienarbeit neu zu erfinden.
Da wäre ich sofort dabei!
Keine Revolution geplant
Am zweiten Konferenztag gab es noch einige sehr interessante Diskussionen zum Thema „Religiöser Humor und Satire,“ aber die Mediendebatte am Vortag hat mich mehr bewegt. Zwischen den Vorträgen und Diskussionen gab es immer wieder Raum, sich mit anderen Konferenzteilnehmern auszutauschen. Als Student kannte ich nur wenige der Anwesenden Medienmenschen, aber trotzdem konnte auch ich Leute finden, mit denen ich mich gut unterhalten konnte.
Trotzdem ist mein Fazit vom Kongress ein eher ernüchterndes. Ich bin mir bewusst, dass ich als Student (der nicht einmal Fernsehen oder Radio schaut/hört) nicht wirklich die Zielgruppe des Kongresses war, der mehr als lockeres Get-Together der kirchlichen Rundfunkbeauftragten in Deutschland konzipiert war.
Organisatorisch (und kulinarisch!) toll umgesetzt, blieb es thematisch doch sehr zurückhaltend, besonders im Blick auf die Möglichkeiten digitaler Medien. Inhaltlich sollten da wohl gar keine großen Revolutionen passieren.
Aber eine Revolution in der kirchlichen (Online-)Medienarbeit fände ich persönlich schon spannend.