Look up?
Geht Leben nur „in Person“? In meinen Kreisen wurde in den letzten Tagen ein bestimmtes Video immer und immer wieder geteilt. Das Video, „Look up“ von Gary Turk, ist eine Mischung aus rhythmischem Poetry-Slam und schnulzigem Inspirations-Film.
Mal abgesehen von der offensichtlichen Ironie, dass dieser Film zehntausende Male über das Internet angeschaut und über Soziale Netzwerke geteilt wurde – was für ein oberflächlicher Unsinn.
Facebook zu bashen ist im Moment in, – und ich bin oft genug beim bashen mit dabei – aber Soziale Netzwerke und Smartphones sind nicht unser eigentliches Problem. Wenn überhaupt spiegeln sie die Probleme, die wir sowieso haben: Unser Drang nach Selbstverwirklichung, unsere Anerkennungssucht, unsere seelische Einsamkeit. Aber simpler Analog-Fetischismus wird uns nicht von uns selbst erlösen können.
Wer das liest ist blöd
Ich kann kaum glauben, dass Turk die Ironie eines Internetvideos gegen Zeitverschwendung im Internet entgangen sein soll. Es kann ihm nicht wirklich darum gehen, das Internet zu verdammen und Online-Kommunikation grundsätzlich abzuwerten. Aber er erweckt doch den Eindruck mit Sprüchen wie „We are a generation of idiots; smart phones and dumb people.“ Was will er denn mit solchen Beleidigungen erreichen?
„All this technology we have, it’s just an illusion“, sagt Turk im Video. Ist denn das „echte“ Leben „echter“ als ein Leben im Internet? Ist denn ein „Gespräch“ intrinsisch wertvoller als eine SMS? Ist es nur eine Illusion, wenn ich meiner Frau ein „<3
“ per iMessage schicke? Das ist doch Unsinn!1
Online-Kommunikation des Evangeliums
Was hat das mit Theologie zu tun? Wenn das Internet auch das echte Leben ist, dürfen wir es nicht ignorieren. Dann muss Kirche im Internet präsent sein, dann müssen wir theologisch über das Internet und seine Möglichkeiten nachdenken. Wenn wir diesen Teil der Realität als künstlich und minderwertig abtun, werden wir damit in Zukunft auch mehr und mehr „künstliche“ Menschen haben, die in unseren Gemeinden keinen Platz mehr finden.
Unser Auftrag ist die Kommunikation des Evangeliums. Wäre es nicht fahrlässig, nicht alle Kommunikationsformen zu berücksichtigen?
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Manche behaupten, dass persönliche, körperliche Leben sei irgendwie unvermittelt und ungefiltert. Aber unsere Wahrnehmung der Realität ist immer gefiltert. Unser Gehirn interpretiert Informationen aus dem Sehnerv, das dauert ein paar Millisekunden. Eigentlich befinden wir uns nie im „Jetzt und Hier“ – unser Bewusstsein ist immer ein paar Momente hinterher. Das was wir als Realität wahrnehmen, ist immer nur eine Interpretation unserer Sinne. ↩